Die verbliebenen drei Schwestern kehren ins Freiburger Mutterhaus zurück.
Am Freitag, den 8. März 2024, war es leider so weit: Der letzte Vorhang fiel. Mit einem Festakt und einem Gottesdienst verabschiedete sich die Schulgemeinschaft feierlich von den drei letzten Schwestern. Sr. Herrad Kientz, Sr. Edellint Hebauf und Oberin Sr. Walburg Haag hatten den Walder Konvent über viele Jahrzehnte geprägt. Nun, mit der Rückkehr aus Altersgründen, endete der Einsatz der Benediktinerinnen der Heiligen Lioba für die Heimschule Kloster Wald nach fast 80 Jahren.
Das Wirken der Liobaschwestern in Wald war enorm: Vom Kerngeschäft des Unterrichtens über die Betreuung im Internat, aber auch das Waschen, Kochen, Putzen und Erledigen sonstiger anfallender Arbeiten zeigen deutlich, wie zentral deren Rolle im Lebensalltag der Schülerinnen war. Insgesamt 64 Schwestern prägten Wald in entscheidendem Maße, 36 von ihnen allein in den 1990er-Jahren. Die mittlerweile 87-jährige Sr. Herrad kam bereits im Alter von 25 Jahren an die Heimschule; sie und ihre beiden Mitschwestern hinterlassen eine schmerzhafte, riesige Lücke.
In den vergangenen Jahren hatten sich Sr. Walburg und Sr. Herrad den Pfortendienst geteilt. Im Gebet waren die Schwestern auch im Ruhestand noch der Hausgemeinschaft, v.a. den Schülerinnen, verbunden geblieben – und versprechen, es auch weiterhin zu sein. Im Günterstaler Mutterhaus, bei ihren Mitschwestern können sie sich nun gut versorgt wissen und verstärkt gemeinsam Gottesdienste feiern.
Den Verabschiedungstag läutete ein festlicher Gottesdienst in der Walder Kirche St. Bernhard mit Prediger Herrn Bischofsvikar Dr. Peter Kohl, der der Messe vorstand und diese zusammen mit Herrn Dekan Stefan Schmid von den Seelsorgeeinheiten Meßkirch-Sauldorf und Wald sowie Herrn Dr. Albert Schmid OSB von der Beuroner Benediktiner-Kongregation zelebrierte, ein. Mitgewirkt haben neben dem Chor unter der Leitung von Isabell Marquart und mit Unterstützung des Pianisten Herrn Wolff und dem Orchester unter der Leitung von Gudrun Hafner auch Alexander Schlegel an der Orgel und neun Ministrantinnen, die die Liturgie durch ihren Dienst unterstützt haben.
In den Gottesdient, dessen Predigt von Bischofsvikar Kohl in der Folge aufgrund der Besonderheit der Verabschiedung vollständig abgedruckt ist, war auch das Gedenken an die ehemaligen Schwestern im Freiburger Mutterhaus sowie die ehemaligen Schülerinnen und Mitarbeitenden von Wald eingeschlossen, um deutlich zu machen, dass die Hausgemeinschaft in Wald trägt – über das Abitur und die Gesellenprüfungen, ja sogar den Tod hinaus als christliche Gemeinschaft.
Lesung: 1 Kor 3, 4 – 9
Evangelium: Mk 4, 26 – 29
Liebe Schwestern und Brüder.
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.
Sie spielt im Jahr 1946.
Damals gründeten die Benediktinerinnen von St. Lioba die Klosterschule Wald.
Wie müssen wir uns diesen Anfang vorstellen?
Der Beginn in Wald war sehr karg.
Es gab zwar das Gebäude, aber kaum eine Innenausstattung.
Also gab es für jedes Mädchen nur einen Stuhl.
Mit diesem Stuhl gingen die Mädchen vom Morgengebet in der Kirche zum Frühstück.
Denselben Stuhl nahmen sie dann zum Unterricht mit.
Und über den Tag weiter bis hin zum abendlichen Lernen.
Was ist daraus geworden?
Ich vermute, dass es hier niemanden gibt, der weiß, wie viele Stühle es heute in der Klosterschule gibt.
Und von der heutigen Ausstattung der Schule mit Glasfaser, Wlan, digitalen Kameras in jedem Klassenzimmer und vielen Klavieren war die ursprüngliche Ausstattung meilenweit entfernt.
Davon hätten die Gründerinnen von Wald nur träumen können.
Und in all dem mittendrin:
Die Schwestern von St. Lioba.
Über 78 Jahre hinweg haben Schwestern der hl. Lioba hier gelebt und das Leben dieser Schule geprägt.
Und das bedeutet:
78 Jahre Leben in Gemeinschaft, mit all den schönen Seiten, aber auch mit den Herausforderungen, die solch ein Leben mit sich bringen.
Ein Leben nach der Regel des heiligen Benedikt und dem Wahlspruch seines Ordens: Ora et labora – bete und arbeite.
Gearbeitet haben die Schwestern hier viel.
Sie haben unterrichtet, das Internat betreut, geputzt und gekocht.
Und sie haben gebetet.
Und damit den Schülerinnen und den Lehrern und Lehrerinnen den Rücken gestärkt.
Diese Ära geht heute zu Ende.
Denn wir begehen den Abschied der letzten Schwestern von St. Lioba.
Also Ihren Abschied, liebe Schwester Herrad, liebe Schwester Walburg und liebe Schwester Edellint.
Wie diesen Abschied geistlich deuten?
Eine Hilfe dazu gibt uns die Geschichte von den Stühlen, die ich am Anfang erzählt habe.
Aus bescheidenen Anfängen ist Großes geworden.
Eine Schule, die auf der Höhe der Zeit ist.
Ausgestattet mit allem, was man für einen Schulbetrieb in unseren Tagen braucht.
Und geprägt von den Werten unseres christlichen Glaubens.
Dem sogenannten „Geist von Wald".
Ist das nicht ein Paradebeispiel für das, was wir vorhin im Evangelium gehört haben?
Da wird uns erzählt, dass ein Bauer Samen auf seinen Acker sät.
Dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag.
Der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie.
Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre.
Für Jesus ist dieses Geschehen ein Bild für das Reich Gottes.
Damit das wachsen kann, braucht es beides.
Das Engagement des Bauers, der den Samen ausstreut.
Und den Samen, der von selbst wächst, ohne dass der Bauer das machen kann.
Denn das Wachstum ist ein Geschenk Gottes.
Für beides ist Kloster Wald ein Beispiel.
Verkörpert durch Sie, die Schwestern von St. Lioba.
Sie haben gesät.
Der Same war das Engagement für die Schule und die Schülerinnen.
Der Same war das Wissen und die Werte, die Sie den Schülerinnen vermittelt haben.
Der Same war die Art und Weise, wie Sie den Schülerinnen und den Lehrern und Lehrerinnen begegnet sind.
Und bei all dem haben Sie gewusst, dass Gott es ist, der den Samen wachsen lässt.
Das sichtbare Zeichen dafür war und ist Ihr Gebet.
So ist der Same aufgegangen.
In der Schule als solcher und im Internat.
Aber besonders in den Frauen, die diese Schule und das Internat besucht haben.
Um das zu erkennen, braucht man sich nur einmal die Internetseite von Kloster Wald anzuschauen.
Wer wollte bezweifeln, dass das etwas mit dem zu tun hat, was Jesus im Evangelium das Reich Gottes nennt.
Deshalb ist diese Stunde auch eine Stunde des Dankes.
Des Dankes an all die Schwestern der hl. Lioba, die hier in Wald gelebt und gewirkt haben.
Zugleich ist diese Stunde aber auch die Stunde des Abschieds.
Viele Schwestern sind im Lauf der Jahre hierher nach Wald gekommen und nach einer gewissen Zeit wieder gegangen.
Heute nehmen Sie, liebe Sr. Schwester Herrad, liebe Schwester Walburg und liebe Schwester Edellint Abschied von Kloster Wald.
Nach Ihnen wird keine Schwester der heiligen Lioba mehr kommen.
Wie das Erbe bewahren, das Sie, die Schwestern von St. Lioba, heute hinterlassen?
Auch da lohnt sich noch einmal ein Blick auf die Texte dieses Gottesdienstes.
Dieses Mal auf die Lesung.
Da spricht der Apostel Paulus von sich und von einem Mitarbeiter in der Gemeinde namens Apollos.
Zwischen beiden gab es wohl eine gewisse Konkurrenz.
Und dann sagt Paulus:
Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen.
Beide, der, der pflanzt, und der, der gießt, dienen demselben Wachstum.
So wie viele Schwestern dem Wachstum dieser Schule und des Internats und damit den Schülerinnen gedient haben.
Und Gott ließ die Pflanze wachsen.
Heute gehen die letzten Schwestern.
Ihr Vermächtnis an Sie, die Lehrerinnen und Lehrer, an Sie, die Leitung des Internates, an Sie, die Schulseelsorgerin und den Schulseelsorger und nicht zuletzt an Sie, die Schülerinnen besteht darin, den Geist von Wald lebendig zu erhalten.
Ganz im Sinn der heutigen Lesung:
Der eine gießt, der andere pflanzt, Gott aber ist es, der es wachsen lässt.
Auch in der Zukunft.
Amen.
Nach dem schönen Festgottesdienst, auf den von der Küche und der Hauswirtschaft vorbereiteter Kaffee sowie Gebäck im Kreuzgang folgten, ging der „weltliche" Teil der Verabschiedung, der Festakt, in der Turnhalle weiter.
Das Orchester eröffnete die Veranstaltung mit dem Song „Viva la vida" der Band Coldplay. Darauf folgte die erste Rede von Schulleiterin Heidi Linster, die von ihrer eigenen Kindheit und Jugend in Wald berichtete. Es war damals selbstverständlich, Schwestern der Heiligen Lioba im Ort anzutreffen, sie waren in der Gemeinde vertreten und selbstverständlich sah man sie in der Schule, aber auch auf den Gehwegen begegnete man ihnen und konnte sie auf dem zugefrorenen Weiher beim Eis(kunst)laufen bewundern. Weibliche Führung war damals selbstverständlich, betonte Heidi Linster – und kann auf ihren eigenen Lebensweg verweisen. „Wir sind mehr als Schule, Internat und Werkstatt. Wir sind eine funktionierende Gemeinschaft. Auch ohne die Schwestern wird es weitergehen, anders, aber es ist kein Endpunkt. Die Schwestern haben uns Wald ÜBERlassen, aber nicht VERlassen." Mit diesen Worten versicherte die Schulleiterin den Schwestern, dass ihr Lebenswerk in gute Hände gegeben und in Ihrem Sinne weitergeführt wird.
Alle weiteren Redner, allen voran Stiftungsdirektor Patrick Krug, lobten in der Folge die Weitsicht der Schwestern, zusätzlich zur Schulausbildung auch noch die Werkstattausbildung aufzubauen. So setzten sie den heutigen Slogan der Vereinten Nationen schon 1946 in die Tat um: „Invest in women. Accelerate progress." Getreu diesem Motto entlässt die Heimschule Kloster Wald seit fast 80 Jahren starke, selbstbewusste junge Frauen in die Welt.
Gleichsam Teil aller Reden und Konsens war die riesige Dankbarkeit: Dankbarkeit für die Selbstverständlichkeit, mit der die Schwestern immer für ein „Schwätzle" bereit waren, die Dienste, die sie bis zuletzt verrichteten, die Gebete, die die gesamte Schulgemeinschaft einschlossen, und für vieles mehr. Ehemalige Schülerinnen und nun Mütter von Schülerinnen formulierten es sehr prägnant: „Die Schwestern sind Gerüst und Herz des Walder Universums. Ihr Einsatz, Mitgefühl und ihre Liebe haben das Internat zu einem Zuhause gemacht."
Gleichwohl wiesen auch einige Redner darauf hin, dass Freiburg ja nicht aus der Welt sei und die Schwestern jederzeit in „ihrem Wald" herzlich willkommen seien. Als Erinnerung schenkte die Schule ein Mosaik aus vielen hundert verschiedenen Bildern, die zeigen, wie viele Facetten die Heimschule ausmachen. Die Internatsschülerinnen und ihre Eltern warteten mit einem Präsent in Form einer Schatzkiste auf – gefüllt mit Boden von besonderen Plätzen in Wald, zusammen mit einer Rose, die sie in einem „Fleckchen Heimat" einpflanzen können. Auch von Seiten der Schwestern gab es ein passendes Geschenk, nämlich ein Apfelbäumchen mit vielen selbstgebastelten Friedenstauben daran, sodass man immer beim Genuss eines Apfels an die Schwestern denkt.
Abgerundet wurde die Veranstaltung vom Chor der Heimschule Kloster Wald, der zunächst mit „Shalom" ein getragenes Stück präsentierte, um dann den Abschied mit einem Medley aus dem Musical „Hair" leichter zu ertragen zu machen. Am Ende des Festtages stand der Empfang in der Mensa, um beim gemeinsamen Mahl und im Gespräch alles ausklingen zu lassen.
Das letzte Puzzlestück der Verabschiedung wurde zehn Tage nach dem Festakt „angeschlossen": Die gesamte Schulgemeinschaft nahm in einem abschließenden Gottesdienst ihren ganz persönlichen Abschied von den Liobaschwestern. Kurze Worte von Seiten der Schulleiterin Heidi Linster, dem Vorsitzenden der Mitarbeitendenvertretung Philipp Dürr sowie durch die SMV und die musikalische Umsetzung der Lieder "Der Vater im Himmel" und "Möge die Straße uns zusammenführen" setzten inhaltliche Akzente. Eingerahmt wurde die Veranstaltung von Segensworten und der insgesamten Gestaltung durch Schulseelsorgerin Andrea Wahl und Pfarrer Gerhard Müller, sodass am Ende alle einen Moment des Abschiednehmens gefunden und die Schwestern ihr mannigfaltiges „Erbe" vor Augen hatten.
Ist Wald ohne Schwestern noch Wald? Dieser Herausforderung gilt es sich nun zu stellen. Zum Abschluss sei ein Auszug aus dem Gedicht „Stufen" von Hermann Hesse angeführt, der das Ende und den Anfang auf poetische Art und Weise wie folgt thematisiert:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Text: André Kiefer, Joachim Ott, Andrea Wahl, Dr. Peter Kohl
Fotos: Joachim Ott, Dr. Jürgen Huber